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BVergG-Novelle 2026: Das neue Regelwerk für Auftraggeber:innen

Geschrieben von Peter Schurr | 30.10.2025 13:06:27

Die österreichische Bundesregierung bereitet eine umfangreiche Novelle des Bundesvergabegesetzes (BVergG) vor, die derzeit im Begutachtungsverfahren ist. Ziel des Entwurfs sind unter anderem mehr Transparenz durch erweiterte Bekanntmachungen, die dauerhafte Anhebung von Schwellenwerten für Vergabeverfahren, verpflichtende eForms im E-Vergabeprozess sowie stärkere Berücksichtigung nachhaltiger und sozialer Kriterien. Öffentliche Auftraggeber:innen müssen sich auf neue Dokumentationspflichten einstellen, profitieren aber auch von Rechtsklarheit bei Rahmenvereinbarungen und einem vereinfachten Rechtsschutz.

Novelle im Überblick

Der Entwurf des Vergaberechtsgesetzes 2026 umfasst Änderungen des BVergG 2018 und weiterer vergaberechtlicher Bundesgesetze. Die Novelle setzt sowohl das Regierungsprogramm um als auch EU-Vorgaben und aktuelle Judikatur. Offiziell verfolgt sie folgende Hauptziele:

  • Stärkung der Transparenz in Vergabeverfahren
  • verstärkte Berücksichtigung strategischer Beschaffungsziele (nachhaltige, soziale und innovative Aspekte)
  • Erleichterung der Nachweiserbringung für Bieter:innen
  • stärkere Einbindung der neuen EU-eForms in den Ausschreibungsprozess
  • Vorgaben zu Zahlungsfristen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette
  • höhere Rechtssicherheit beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen
  • Anpassung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes

Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen, mit Fokus auf ihre Auswirkungen für öffentliche Auftraggeber:innen, näher beleuchtet.

Schwellenwerte und Verfahrensarten: Mehr Spielraum für Direktvergaben

Ein zentraler Punkt der Novelle ist die Neugestaltung des Schwellenwertregimes im Unterschwellenbereich. Die bisher nur befristet per Verordnung erhöhten Wertgrenzen sollen nun dauerhaft im Gesetz verankert werden. Konkret bedeutet das vor allem erweiterter Spielraum für Direktvergaben: Künftig dürfen Bauaufträge bis 200.000 € und Liefer- oder Dienstleistungsaufträge bis 143.000 ,- direkt vergeben werden. Damit werden die bisherigen, alle ein bis zwei Jahre verlängerten, Schwellenwerteverordnungen in dauerhaftes Recht übergeführt. Für öffentliche Auftraggeber:innen bringt das vor allem Planungssicherheit und weniger Abstimmungsaufwand, da die regelmäßigen Verlängerungen oder Anpassungen der Schwellenwerte entfallen.

Allerdings bleibt auch im ausgeweiteten Direktvergabebereich das Wettbewerbsprinzip nicht völlig außen vor. Ab einem Auftragswert von 50.000 € muss der Auftraggeber künftig dokumentieren, dass er sich um zumindest drei Vergleichsangebote oder Preisauskünfte bemüht hat, sofern dem keine sachlichen Gründe entgegenstehen. Dieser neu normierte Drei-Angebote-Grundsatz soll sicherstellen, dass trotz vereinfachtem Verfahren ein Mindestmaß an Preistransparenz und Markterkundung erfolgt. Für die Vergabepraxis bedeutet dies eine zusätzliche Dokumentationspflicht. Umgekehrt stellt die permanente Anhebung der Direktvergabeschwellen eine Entlastung dar, denn kleinere Beschaffungen können ohne zeitaufwendige Verfahren einfacher und schneller abgeschlossen werden, was besonders Gemeinden und andere dezentrale Stellen begrüßen dürften.

E-Vergabe: eForms und erweiterte Bekanntmachungspflichten

Ein weiteres Kernstück der Novelle ist die vollständige Integration der eForms in die nationalen Vergabeverfahren. Bekanntmachungen und Bekanntgaben, also Ausschreibungen und Zuschlagsmeldungen, sind künftig auch im Unterschwellenbereich in den standardisierten elektronischen Formularen (eForms) zu erstellen. Damit setzt Österreich die EU-Vorgaben (Digital-by-Default) um und schafft eine einheitliche Datenstruktur für Vergabemeldungen. In der Praxis sollen dadurch Medienbrüche entfallen und Auswertungen erleichtert werden. Die Novelle sieht vor, nationale Veröffentlichungspflichten mit den EU-weiten zu verzahnen, sodass künftig die Inhalte einer Ausschreibungsmeldung auf EU- und nationaler Ebene identisch sind und im selben Format übermittelt werden. Laut Justizministerium soll diese Angleichung den Aufwand für Auftraggeber:innen reduzieren, da doppelte oder abweichende Dateneingaben entfallen.

Transparenz wird durch eine neue Schwelle bei Veröffentlichungen weiter erhöht: sämtliche Zuschläge ab 50.000 € sind künftig von allen öffentlichen Auftraggeber:innen bekannt zu geben, auch unterhalb der EU-Schwellenwerte. Bisher war es im Unterschwellenbereich oft nicht erforderlich, Auftragsvergaben publik zu melden; das ändert sich nun. Der neue Bekanntgabe-Mindestwert sorgt dafür, dass auch kleinere Vergaben für den Markt sichtbar werden. Dadurch steigen Transparenz und Marktzugang für Unternehmen. Zudem soll ein Großteil der Vergabedaten als Open Data verfügbar gemacht werden: Die Metadaten zu vergebenen Aufträgen (Kerninformationen eines Vergabeverfahrens) sind mindestens fünf Jahre lang in offenem, maschinenlesbarem Format unter freier Lizenz bereitzustellen. Zusammen mit der eForms-Pflicht ergibt sich so ein erheblicher Schritt in Richtung digitale Transparenz.

Dokumentation und Rechtsschutz: Neue Pflichten, klarere Regeln

Die Novelle bringt auch neue Dokumentationspflichten und Anpassungen im vergaberechtlichen Rechtsschutz mit sich. Eine wichtige Änderung betrifft die Vergabeunterlagen: Künftig müssen Ausschreibungsunterlagen verbindlich angeben, welche Vergabekontrollbehörde zuständig ist und mit welchen Gebühren im Nachprüfungsverfahren zu rechnen ist. Diese Informationspflicht soll sicherstellen, dass Bieter:innen bereits aus den Unterlagen ihre Rechtsschutzmöglichkeiten erkennen und sie verringert das Risiko formaler Fehler bei der Bekanntgabe von Rechtsmittelbelehrungen.

Zudem wird das derzeit komplizierte Pauschalgebührensystem für Nachprüfungsverfahren vereinheitlicht und vereinfacht. Statt uneinheitlicher, im Voraus schwer berechenbarer Pauschalen soll es ein gestaffeltes Gebührensystem mit klar definierten Wertkategorien geben. Jede Beschwerde würde je nach Auftragswert in eine Gebührenkategorie fallen, deren Betrag im Gesetz festgeschrieben ist. Dadurch wird die Gebühr für Antragsteller:innen transparent und von Anfang an kalkulierbar. Die wertbezogene Staffelung erhöht zudem die Verhältnismäßigkeit: Hohe Auftragsvolumina verursachen etwas höhere Gebühren, während kleine Vergaben mit niedrigeren Gebühren einhergehen. Vorerst soll das neue Gebührensystem nur im Bundesbereich gelten (also vor dem Bundesverwaltungsgericht), die Bundesländer dürften aber nachziehen.

Nicht zuletzt bringt die Novelle auch Klarstellungen bei der Selbstreinigung: Unternehmen, die von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden könnten, weil etwa Ermittlungen gegen sie laufen, erhalten präzisierte Regeln, unter welchen Voraussetzungen sie sich rehabilitieren können. Zugleich müssen solche Unternehmen künftig mit den Behörden und den Auftraggeber:innen zusammenarbeiten, insbesondere im Hinblick auf Schadensgutmachung. Dies rückt Compliance-Anstrengungen und aktive Schadenswiedergutmachung stärker in den Fokus, was Auftraggeber:innen bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bieter:innen unterstützen soll. Insgesamt müssen öffentliche Auftraggeber:innen sich infolge der Novelle also nicht nur an neue Abläufe (eForms, Publikationen) anpassen, sondern auch intern Dokumentationsprozesse (z.B. für Direktvergaben und Eignungsprüfungen) und Rechtsmittelinformationen überarbeiten.

Nachhaltigkeit und strategische Beschaffung im Fokus

Ein erklärtes Anliegen der Reform ist es, öffentliche Beschaffung strategischer auszurichten – sprich, nachhaltige, soziale und innovative Aspekte stärker zu verankern. Im BVergG soll daher der Grundsatz der nachhaltigen Beschaffung expliziter verankert werden. So wird etwa im Gesetzestext der Begriff Nachhaltigkeit ausdrücklich neben die bisherigen Beschaffungsgrundsätze gestellt. Öffentliche Auftraggeber:innen werden angehalten, Umwelt- und Sozialaspekte, wo immer sachlich möglich, bereits bei der Definition des Beschaffungsgegenstands zu berücksichtigen. Mit der vorliegenden Novelle besteht zusätlich die Möglichkeit, dies bereits im Rahmen von Eignungskriterien zu berücksichtigen. Denn wenn ökologische oder soziale Kriterien erst spät im Verfahren einfließen, lässt sich eine suboptimale Leistungsbeschreibung nachträglich kaum korrigieren. Die Novelle knüpft hier an bestehende Initiativen wie den Nationalen Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung (naBe) an. Praktisch relevant ist auch, dass die neuen eForms gewisse Felder zu nachhaltigen, sozialen und innovativen Vergabeaspekten beinhalten und die Novelle bestimmt, dass einige bislang optionale Angaben künftig verpflichtend auszufüllen sind. Das heißt, Auftraggeber:innen müssen in den Bekanntmachungen vermehrt angeben, ob und welche Nachhaltigkeitskriterien, sozialen Anforderungen oder KMU-freundlichen Maßnahmen im Verfahren eine Rolle spielen. Dies erhöht die Transparenz über strategische Vergabeziele und schafft Daten, um die Wirkung solcher Maßnahmen zu evaluieren.

Unter sozialer Verantwortung versteht der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch faire Geschäftspraktiken. Daher beinhaltet die Novelle z.B. Vorschriften zur Einhaltung von Zahlungsfristen gegenüber Lieferant:innen in bestimmten Sektoren. In Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/633 wird sichergestellt, dass in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette öffentliche Auftraggeber:innen ihren Auftragnehmer:innen bestimmte maximale Zahlungsziele nicht überschreiten dürfen. Dies schützt insbesondere kleinere Lieferant:innen (etwa landwirtschaftliche Betriebe) vor unverhältnismäßig langen Zahlungswartezeiten und fördert eine faire Beschaffung.

In Summe tragen diese Bestimmungen dazu bei, dass öffentliche Aufträge verstärkt als Instrument zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele genutzt werden, vom Klimaschutz bis zur sozialen Gerechtigkeit. Für Auftraggeber:innen könnte dies jedoch auch bedeuten, dass bei der Vorbereitung von Ausschreibungen zusätzliche Überlegungen einfließen müssen (z.B. Lebenszykluskosten, soziale Kriterien, Innovationspotenziale), was die Vergabeplanung komplexer machen kann. Die Novelle liefert hier zwar Leitplanken und schreibt an mancher Stelle die Berücksichtigung solcher Kriterien vor, belässt aber den Auftraggeber:innen im Grundsatz die Wahl, wie sie Nachhaltigkeit & Co konkret einfließen lassen. Es bleibt also ein Feld, in dem die praktische Umsetzung maßgeblich von der Kompetenz und Initiative der Vergabestellen abhängen wird.

Mehr Rechtssicherheit oder mehr Bürokratie? – Kritische Würdigung

Für öffentliche Auftraggeber:innen stellt sich abschließend die Frage, ob die Novelle unterm Strich eher Erleichterungen oder Mehrbelastungen bringt. Die Antwort fällt differenziert aus: Einige Änderungen schaffen tatsächlich Rechtssicherheit und Vereinfachung. So beendet die Entfristung des Schwellenwertregimes die unsichere Praxis ständig befristeter Ausnahmen. Behörden können künftig verlässlich mit höheren Direktvergabelimits arbeiten. Auch die Präzisierung bei Rahmenvereinbarungen ist zu begrüßen: Indem klargestellt wird, dass der Zuschlag mit Abschluss der Rahmenvereinbarung erfolgt und Höchstwerte verbindlich bleiben, wird ein bisheriges Auslegungsrisiko beseitigt. Das reduziert für Auftraggeber:innen die Gefahr von Nachprüfungsverfahren bei späteren Abrufen erheblich. Ebenfalls positiv zu werten ist die Flexibilisierung des Eignungsprüfungs-Zeitpunkts. Angebote scheitern damit nicht mehr an Formalia, weil Nachweise nun bis zu einem späteren definierten Zeitpunkt nachgereicht oder über Register abgefragt werden können. Dies entschärft Fehlerquellen und kann den Bieter:innenkreis erweitern, ohne die Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.

Auf der anderen Seite führt mehr Transparenz fast zwangsläufig zu mehr Aufwand. Die 50.000-€-Bekanntgabepflicht bedeutet zusätzliche Veröffentlichungen und Datenaufbereitung bei jeder Vergabe ab diesem Wert. Kleinen Vergabestellen mag das als bürokratische Mehrbelastung erscheinen, zumal auch die Pflicht zur Bereitstellung von Open Data und zur Nutzung der neuen eForms technisch umgesetzt sein will. Gerade in der Einführungsphase wird es erheblicher Schulung und Umstellung bedürfen. Langfristig könnten jedoch einheitliche digitale Prozesse tatsächlich Effizienzgewinne bringen. Die Regierung argumentiert, dass die Angleichung der Meldesysteme auf EU- und Bundesebene Doppelarbeit eliminiert und so den Gesamtaufwand reduziert.

Ein gewisser Spannungsbogen bleibt zwischen Transparenz und Verfahrensökonomie: Mehr Informationszugang und Kontrollen stehen potenziell schnelleren, schlankeren Vergaben gegenüber. Die Novelle versucht, hier eine Balance zu finden. Beispielsweise wird die ausgeweitete Direktvergabe durch die 3-Angebote-Dokumentation flankiert, was den Wettbewerb auf kleiner Flamme weiterlaufen lässt und Vetternwirtschaft vorbeugen soll. Unterm Strich ist die Novelle aus juristischer Sicht als zeitgemäße Anpassung zu werten, die viele Unklarheiten bereinigt und Österreichs Vergaberecht fit für die digitalen und strategischen Herausforderungen macht. Sie bringt zwar neue Pflichten und initial mehr Bürokratie, doch diese scheinen durch mehr Rechtsklarheit, Markttransparenz und strategischen Mehrwert gerechtfertigt, sofern die Auftraggeber die Änderungen proaktiv in ihre Beschaffungspraxis integrieren.

Hinweis: Der Begutachtungsentwurf zum Vergaberechtsgesetz 2026 kann öffentlich kommentiert werden. Noch bis 7. November 2025 (12:00 Uhr) besteht die Möglichkeit, über die Website des österreichischen Parlaments eine Stellungnahme einzubringen. Dies gibt Auftraggeber:innen und Bieter:innen die Gelegenheit, ihre Praxiserfahrungen einzubringen, bevor die Novelle in Gesetzesform gegossen wird.

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