Funktionale Leistungsbeschreibung: Definition, Vorteile und praktische Anwendung für Architekt:innen und Planer:innen
Die funktionale Leistungsbeschreibung (FLB) gewinnt im österreichischen Vergaberecht und in modernen Bau- und Infrastrukturprojekten zunehmend an Bedeutung. Sie schafft klare Funktionsziele, ohne die technische Umsetzung vorwegzunehmen und ermöglicht damit innovative, flexible und wirtschaftliche Lösungen. Dieser Beitrag erklärt die juristischen Grundlagen, praxisrelevanten Schritte und typischen Anwendungsfelder der FLB und zeigt, wie Planer und Auftraggeber:innen damit rechtssicher arbeiten.
Was ist eine funktionale Leistungsbeschreibung? – Grundlagen und Abgrenzung
Die funktionale Leistungsbeschreibung definiert Ziele, Funktionen und zu erzielende Ergebnisse, ohne konkrete Umsetzungsschritte oder Materialien vorzuschreiben. Sie beantwortet das „Was“ und „Wozu“, lässt aber bewusst offen, „Wie“ die Leistung technisch gelöst wird.
Damit unterscheidet sie sich klar von der konstruktiven Leistungsbeschreibung, die detailliert vorgibt, wie die Ausführung zu erfolgen hat, einschließlich Materialien, Bauverfahren und Arbeitsschritten. In der öffentlichen Auftragsvergabe hat die funktionale Leistungsbeschreibung (FLB) einen hohen Stellenwert, insbesondere wenn Auftraggeber:innen Wettbewerb, technische Innovation und Lösungsoffenheit fördern wollen. Wenn sie sachgerecht formuliert ist, kann sie sowohl im Unterschwellen- als auch im Oberschwellenbereich den Wettbewerb beleben und dadurch zu besseren, innovativeren Ausschreibungsergebnissen führen.
Aufbau und Bestandteile einer funktionalen Leistungsbeschreibung
Für eine funktionale Leistungsbeschreibung stellt das BVergG besondere Anforderungen an den Inhalt der Ausschreibungsunterlagen (§ 104 BVergG, Grundsätze der Leistungsbeschreibung).
Technisches Leistungsziel
Die Leistungsbeschreibung muss in Form technischer Spezifikationen das Leistungsziel so hinreichend genau und neutral umschreiben, dass alle für die Angebotserstellung wesentlichen Bedingungen und Umstände für Bieter:innen erkennbar sind.
Zweck und Anforderungen
Aus der Leistungsbeschreibung müssen der beabsichtigte Zweck der fertigen Leistung sowie alle gestellten Anforderungen, technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer und funktionaler Art, klar hervorgehen. Diese Anforderungen sind so darzustellen, dass die Vergleichbarkeit der Angebote im Hinblick auf die vorgegebenen Leistungs- oder Funktionsanforderungen sichergestellt ist.
Präzision der Vorgaben
Leistungs- und Funktionsanforderungen müssen ausreichend präzise formuliert sein, damit sie den Bieter:innen eine klare Vorstellung des Auftragsgegenstandes vermitteln und den Auftraggeber:innen die ordnungsgemäße Vergabe (Zuschlagserteilung) ermöglichen. Mit anderen Worten: Trotz offener Gestaltung darf die FLB keine vagen oder beliebigen Anforderungen enthalten.
Ergänzende Unterlagen
Eine FLB muss technische Spezifikationen enthalten und ist erforderlichenfalls durch Pläne, Zeichnungen, Modelle, Proben, Muster oder Ähnliches zu ergänzen. Dadurch sollen die funktionalen Vorgaben greifbar gemacht und hinreichend illustriert werden, damit alle Bieter:innen vom gleichen Verständnis ausgehen können.
Angabe aller Umstände
In der Leistungsbeschreibung sind alle für die Ausführung relevanten Umstände anzuführen (z. B. örtliche Gegebenheiten, zeitliche Vorgaben, besondere Erschwernisse oder Erleichterungen bei der Leistungserbringung). Damit stellt das Gesetz sicher, dass Bieter:innen bei einer FLB keine wichtigen Rahmenbedingungen übersehen und unkalkulierbare Risiken vermeiden können.
Erstellung einer funktionalen Leistungsbeschreibung
Da Auftraggeber:innen kein fertiges Leistungsverzeichnis vorgeben, müssen Bieter:innen bestimmte Unterlagen selbst erstellen und einreichen, um die Vergleichbarkeit und Prüfbarkeit ihrer Angebote sicherzustellen. Insbesondere sind folgende Punkte zu beachten (§ 128 BVergG, Anforderungen an die Angebotsunterlagen).
Klare Leistungsdarstellung und Nachweis
Das Angebot muss so aufgebaut sein, dass Art und Umfang der angebotenen Leistung eindeutig bestimmt werden können. Bieter:innen müssen darin nachweisen, dass ihre vorgeschlagene Lösung sämtliche Leistungs- oder Funktionsanforderungen der Ausschreibung erfüllt, und die Unterlagen müssen eine Beurteilung der Angemessenheit der Preise ermöglichen.
Eigenes Leistungsverzeichnis
Bieter:innen haben dem Angebot grundsätzlich ein selbst erstelltes Leistungsverzeichnis (LV) beizulegen, das alle Teilleistungen der funktional beschriebenen Aufgabe mit Mengengerüsten und Preisangaben enthält. Dieses selbst erstellte LV ersetzt das sonst von Auftraggeber:innen vorgegebene. Es bildet die Grundlage für die Angebotsprüfung und wird im Zuschlagsfall zum Vertragsbestandteil.
Erklärung zur Vollständigkeit
Bieter:innen müssen im Angebot ausdrücklich erklären, dass sie für die Vollständigkeit ihrer Angaben, insbesondere der von ihnen ermittelten Mengen, verantwortlich sind. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Bieter:innen Mengen bewusst zu niedrig ansetzen. Sie tragen das Risiko für eventuelle Fehlmengen in ihrer Kalkulation.
Begründung von Annahmen
Falls Bieter:innen gezwungen waren, Annahmen zu treffen (etwa, weil die Ausschreibung bestimmte Teilleistungen noch nicht exakt definieren konnte), müssen sie diese Annahmen im Angebot begründen. So wird transparent, welche Vermutungen angestellt wurden, und Auftraggeber:innen können beurteilen, ob diese plausibel sind.
Anwendungsbeispiele aus der Praxis
Die funktionale Leistungsbeschreibung eignet sich besonders für:
- TGA-Projekte (Technische Gebäudeausrüstung): HKLS-Anlagen (Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär), Elektrotechnik, Sicherheits- und Gebäudeautomationssysteme
- Architektur: Energieeffizienz, Barrierefreiheit, Raumorganisation
- Anlagenbau bzw. Abbruch: Schutzmaßnahmen, Leistungsziele, funktionale Endzustände
Gerade in komplexen Projekten, in denen technische Lösungen dynamisch entwickelt werden, ist die FLB ein geeignetes Steuerungsinstrument.
Honorarregelung und Kostenaspekte
Die Art der Leistungsbeschreibung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Honorarstruktur. Insbesondere bei der funktionalen Leistungsbeschreibung entsteht oft ein erhöhter Planungsaufwand, da bereits im Angebotsstadium konzeptionelle Beiträge und technische Lösungen zu erarbeiten sind. Gleichzeitig ermöglicht diese Herangehensweise jedoch eine klarere Leistungsabgrenzung, was in der Praxis zu weniger Nachträgen und einer besseren Kostenkontrolle führen kann.
Typische Vergütungsmodelle reichen von pauschaler Vergütung über die Abrechnung nach Aufwand bis hin zur Anlehnung an bestehende Honorarordnungen. Während bei Pauschalen ein fixer Gesamtbetrag vereinbart wird, erlaubt die Aufwand-basierte Abrechnung eine flexible Vergütung nach Stunden oder Teilleistungen. In Österreich spielt zudem die ÖNORM B 1801 [ÖNORM B 1801-1: Bauprojekt- und Objektstruktur (Kosten im Hochbau); ÖNORM B 1801-2: Kostenermittlung und Kostenplanung im Hochbau] eine zentrale Rolle, während in Deutschland häufig die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure.) als Grundlage dient.
Für eine rechtssichere und faire Abwicklung empfiehlt sich stets eine klare Honorarvereinbarung. Diese sollte eine exakte Leistungsabgrenzung enthalten, Regelungen zu Änderungen und Nachträgen festlegen und den Leistungsfortschritt transparent dokumentieren. Partnerschaftliche und nachvollziehbare Honorarstrukturen schaffen nicht nur Vertrauen, sondern auch Planungssicherheit für alle Beteiligten.
Vor- und Nachteile der funktionalen Leistungsbeschreibung
Vorteile
- Hohe technische Freiheit
- Förderung innovativer Lösungen
- Reduktion vergaberechtlicher Risiken durch klare Ergebnisse
Herausforderungen
- Erhöhter Planungs- und Abstimmungsbedarf
- Risiko ungenauer oder missverständlicher Funktionsdefinitionen
- Notwendigkeit juristischer und technischer Fachkenntnisse
Rechtliche Einordnung und aktuelle Entwicklungen
Die funktionale Leistungsbeschreibung ist im BVergG verankert und wird zunehmend als effizientes Mittel zur Wettbewerbsförderung und Innovation anerkannt. In aktuellen Entscheidungen zeigt sich, dass Auftraggeber:innen, die klare Funktionsziele formulieren und gleichzeitig ausreichende Eindeutigkeit sicherstellen, rechtlich besonders gut aufgestellt sind.
Insbesondere im Bau- und Anlagenbereich erweist sich die funktionale Leistungsbeschreibung als Schlüsselinstrument moderner Ausschreibungen. Sie schafft Raum für Innovation, ermöglicht faire Wettbewerbsbedingungen und erhöht die Rechtssicherheit. Wer mit präzisen Funktionszielen arbeitet und technische wie juristische Expertise kombiniert, profitiert von effizienteren Projekten und reduzierten Risiken.
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