Das aktuelle Rundschreiben vom 19. August 2024 des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) informiert öffentliche Auftraggeber:innen und Sektorenauftraggeber:innen über die neuen rechtlichen Verpflichtungen, die sich aus der Verordnung (EU) 2024/1735 ergeben. Diese Verordnung, die Teil des Industrieplans zum Grünen Deal der EU ist, wurde am 28. Juni 2024 veröffentlicht und ist seit dem 29. Juni 2024 unmittelbar anwendbar. Sie soll die Produktionskapazitäten für strategisch wichtige Netto-Null-Technologien in der EU erhöhen und die Abhängigkeit von Drittstaaten bei der Versorgung mit diesen Technologien reduzieren.
Die Verordnung (EU) 2024/1735, auch als „Net-Zero Industry Act“ (NZIA) bekannt, zielt darauf ab, die klimaneutralen Ziele der EU durch eine stärkere Fokussierung auf die Produktion und Versorgungssicherheit von Netto-Null-Technologien zu unterstützen. Dabei handelt es sich um Technologien, welche nur geringe bis gar keine Treibhausgasemissionen verursachen. Die Verordnung verpflichtet öffentliche Auftraggeber:innen, bei der Vergabe von Aufträgen und Konzessionen, die Netto-Null-Technologien umfassen, bestimmte zusätzliche Anforderungen zu beachten.
Die Verordnung gilt für alle Vergabeverfahren und Konzessionsvergaben, die seit dem 29. Juni 2024 eingeleitet wurden. Dies betrifft insbesondere Aufträge, die im Zusammenhang mit Technologien wie Solarenergie, Windkraft, Energiespeicher, Wasserstoff, CO₂-Abscheidung und -Speicherung, Stromnetztechnologien sowie nachhaltigen Biogas- und Biomethantechnologien stehen.
Ausgenommen sind jedoch bestimmte sektorale Tätigkeiten, wie die Erzeugung von Strom in Österreich oder spezifische Postdienste.
Artikel 25 des NZIA sieht vor, dass verbindliche Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden sind. Diese Anforderungen werden von der Europäischen Kommission bis zum 30. März 2025 in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt. Sie sollen sicherstellen, dass die beschafften Technologien umweltfreundlich und nachhaltig sind.
Ab dem 30. Juni 2026 sind diese Anforderungen für alle Aufträge und Konzessionen über einem bestimmten Schwellenwert verbindlich; bis dahin sind nur zentrale Beschaffungsstellen und Aufträge ab einem Wert von 25 Millionen Euro betroffen.
Für Bauaufträge und Baukonzessionen müssen Auftraggeber:innen mindestens eine der folgenden Bedingungen oder Anforderungen in die Ausschreibungen aufnehmen:
3. Resilienzkriterium
Auftraggeber:innen sind außerdem verpflichtet, das sogenannte „Resilienzkriterium“ zu berücksichtigen, um Abhängigkeiten von Drittstaaten bei der Versorgung mit Netto-Null-Technologien zu vermeiden. Dieses Kriterium wird dann relevant, wenn ein erheblicher Anteil der Technologie oder ihrer Bauteile aus Drittstaaten stammt. In solchen Fällen müssen vertragliche Bestimmungen aufgenommen werden, die sicherstellen, dass ein Teil der Technologie aus der EU kommt.
4. Ausnahmen von den Verpflichtungen
Artikel 25 NZIA bietet unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen von den oben genannten Anforderungen. Diese Ausnahmen gelten beispielsweise, wenn nur ein spezifischer Anbieter die benötigte Technologie liefern kann, wenn ein vorheriges Vergabeverfahren erfolglos war, oder wenn die Umsetzung der Anforderungen zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen würde.
Allerdings sei erwähnt, dass Ausnahmen immer eng ausgelegt werden und daher im Einzelfall genau geprüft werden müssen.
Die Verordnung (EU) 2024/1735 stellt eine Erweiterung der bestehenden vergaberechtlichen Verpflichtungen dar. Öffentliche Auftraggeber:innen müssen sicherstellen, dass ihre Vergabeverfahren den neuen Anforderungen entsprechen, um zur Verwirklichung der Klimaziele der EU beizutragen und die strategische Autonomie in Bezug auf Netto-Null-Technologien zu stärken. Das Rundschreiben fordert die betroffenen Stellen auf, sich frühzeitig mit den neuen Bestimmungen vertraut zu machen und diese in die Praxis umzusetzen.
Hier finden Sie den Originaltext des Rundschreibens in voller Länge:
Download: Originaltext des Rundschreibens des BMJ (PDF, 446 KB)