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Schwellenwerte im Vergaberecht: EU-Schwellenwerte für europaweite Verfahren

Geschrieben von Peter Schurr | 30.08.2024 11:12:46

Im Vergaberecht existieren sogenannte Schwellenwerte, die maßgeblich dafür sind, welche Bestimmungen des BVergG für ein Vergabeverfahren zur Anwendung gelangen. Als Faustregel gilt: je höher ein geschätzter Auftragswert, desto strenger sind die rechtlichen Anforderungen für ein Vergabeverfahren. Die zur Einordnung maßgeblichen Schwellenwerte werden in regelmäßigen Abständen angepasst.

Mit 1. Jänner 2024 wurden die durch die EU vorgegebenen Schwellenwerte für die Abgrenzung zwischen Ober- und Unterschwellenbereich angehoben. Zur Kundmachung siehe hier. 

Grundlagen der EU-Schwellenwerte 

Definition und Bedeutung

Ein Schwellenwert ist ein festgelegter Grenzwert, ab dessen Überschreiten bestimmte strengere Regelungen des BVergG zur Anwendung gelangen. Die EU-Schwellenwerte dienen der Abgrenzung zwischen Oberschwellenbereich (OSB) und Unterschwellenbereich (USB).  

Die Grenzziehung ist aus folgendem Grund bedeutend: Die europäischen Vergaberichtlinien regeln grundsätzlich nur die Vergabe von Aufträgen im OSB. Die EU-Schwellenwerte legen somit die Grenze („Schwelle“) fest, ab welchem Auftragsvolumen öffentliche Aufträge unter Beachtung der europarechtlichen Vorgaben ausgeschrieben werden müssen. Da die Vergaberichtlinien nicht unmittelbar anwendbar sind, wurden die Regeln im österreichischen BVergG umgesetzt. 

Die Schwellenwerte unterscheiden sich nach den verschiedenen Arten öffentlicher Aufträge sowie nach der Qualifikation des Auftraggebers (klassischer Bereich oder Sektorenbereich).  

Einfluss auf die öffentliche Beschaffung

Die EU-Schwellenwerte haben einen direkten Einfluss auf das jeweilige Beschaffungsvorhaben, da sie festlegen, ab wann öffentliche Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden müssen. Eine EU-weite Ausschreibung ist dann erforderlich, wenn der geschätzte Auftragswert im OSB liegt. Dies bedeutet, dass die beabsichtigte Vergabe eines Auftrags nicht nur national bekanntzumachen ist, sondern eine Veröffentlichung auch im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen hat. 

Zudem gelten im OSB strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Ausschreibung – so sind unter anderem längere Angebots- oder Teilnahmefristen vorgesehen. Zudem können im OSB nicht alle, sondern nur bestimmte Vergabeverfahrenstypen gewählt werden. 

Rechtsgrundlagen: EU-Richtlinien und nationales Recht

Zentrale Rechtsgrundlage für die EU-Schwellenwerte im Vergabeverfahren ist die Vergaberichtlinien 2014/24/EU, die Sektorenrichtlinie 2014/25/EU und die Konzessionsrichtlinie 2014/23/EU. Die EU-Schwellenwerte werden alle 2 Jahre überprüft und mittels Verordnungen der Europäischen Kommission angepasst. Mit den am 16.11.2023 veröffentlichten delegierten Verordnungen der Europäischen Kommission „2023/2495“, „2023/2496“, „2023/2497“ und „2023/2510“ wurden die neuen, ab 2024 einschlägigen EU-Schwellenwerte bekanntgemacht. 

Die nationale Umsetzung findet sich in §§ 12 und 185 BVergG.  

Neue EU-Schwellenwerte seit 2024 

Gründe für die Anpassung

Die EU-Schwellenwerte werden nach den Richtlinien des Government Procurement Agreement (GPA) der World Trade Organization (WTO) bestimmt, um Wechselkursdifferenzen zwischen den Vertragsstaaten auszugleichen. Die Ermittlung erfolgt durch ein mathematisches Verfahren, das alle betreffenden Währungen berücksichtigt. Bei dieser Festlegung werden weder politische Absichten verfolgt noch Rücksicht auf die Preisentwicklungen am Markt genommen. Im GPA sind die Schwellenwerte nicht in Euro, sondern in Sonderziehungsrechten ausgedrückt. Die Sonderziehungsrechte sind eine vom Internationalen Währungsfonds geschaffene künstliche Währungseinheit, deren Kurs sich laufend verändert. Die Anpassung der Schwellenwerte erfolgt anhand der Kursveränderung der Sonderziehungsrechte gegenüber dem Euro. 

Überblick der Anpassungen:

Bereich/Art des Auftrags  

Schwellenwert bis 31.12.2023 

Schwellenwert seit 01.01.2024 

Klassischer Bereich – Richtlinie 2014/24/EU 

Bauauftrage  

EUR 5.382.000 

EUR 5.538.000 

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

  

(zentrale Regierungsbehörden) 

  

  

EUR 140.000 

  

  

EUR 143.000 

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

  

(sonstige öffentliche Auftraggeber:innen) 

  

  

EUR 215.000 

  

  

EUR 221.000 

Sektorenbereich – Richtlinie 2014/25/EU 

Bauaufträge 

EUR 5.382.000 

EUR 5.538.000 

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

EUR 431.000 

EUR 443.000 

Konzessionen – Richtlinie 2014/23/EU 

Sämtliche Konzessionen 

EUR 5.382.000 

EUR 5.538.000 

Verteidigung und Sicherheit – Richtlinie 2009/81/EG 

Bauaufträge 

EUR 5.382.000 

EUR 5.538.000 

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

EUR 431.000 

EUR 443.000 

Auswirkungen und Herausforderungen

Die nunmehr angehobenen Schwellenwerte ermöglichen den Auftraggeber:innen einen geringfügig größeren Spielraum bei der Vergabe von Aufträgen. Aufgrund der Inflation der letzten Jahre ist die Anhebung begrüßenswert. Eine gewisse Herausforderung, die ab Erreichen des OSB besteht, ist die Bekanntmachung von Aufträgen im Amtsblatt der Europäischen Union, zumal hier zusehends höhere Anforderungen bestehen. Über Schnittstellen der Vergabeportalbetreiber:innen ist dies jedoch in der Regel problemlos handhabbar. Zudem haben Auftraggeber:innen im OSB aufgrund der gesetzlichen Fristen mit längeren Verfahrensdauern zu rechnen.