Stellungnahmen zur BVergG-Novelle 1/2: Auftraggeber:innen warnen vor Mehrbelastung
Eine Analyse der Stellungnahmen ergibt: Die geplante BVergG-Novelle 2026 wird von vielen öffentlichen Auftraggeber:innen grundsätzlich begrüßt, insbesondere die dauerhafte Anhebung der Schwellenwerte. Gleichzeitig kritisieren zahlreiche Stellen massive neue Belastungen durch zusätzliche Bekanntgabepflichten, technische Anforderungen und Einschränkungen bei Verfahrensarten. Dieser Artikel gibt einen kompakten Überblick darüber, welche Themen die Auftraggeber:innen am meisten bewegen und wie sie das in ihren Stellungnahmen formuliert haben.
Erhöhte Schwellenwerte: Zustimmung, aber mit Vorbehalten
Die breite Mehrheit der öffentlichen Auftraggeber:innen bewertet die dauerhafte Verankerung der höheren Schwellenwerte positiv. Das Bundesministerium für Inneres (BMI) hält fest, dass die Anhebung der Direktvergabegrenze „aufgrund der weiterhin bestehenden Konjunkturschwäche und im Hinblick auf die seit der erstmaligen Anhebung der Schwellenwerte für Direktvergaben (von 50.000,– Euro exkl. USt auf 100.000,– Euro exkl. USt) eingetretenen Inflation als positiv bewertet“ wird. Auch der Österreichische Städtebund spricht sich klar dafür aus, die Wertgrenzen nicht nur anzuheben, sondern künftig auch „eine automatische Wertanpassungsklausel“ vorzusehen, da die Inflation der letzten Jahre dies erfordere.
Der Gemeindebund begrüßt zwar die höheren Direktvergabeschwellen im Baubereich, kritisiert aber die geplante Regelung bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen. In diesem Bereich gilt für Gemeinden EU-rechtlich eigentlich ein höherer Oberschwellenwert von 221.000 Euro, während für zentrale öffentliche Auftraggeber nur 140.000 Euro vorgesehen sind. Dass der Entwurf dennoch den niedrigeren Bundeswert für Gemeinden heranzieht, sei „unverständlich“, hier könne man „durchaus auch noch nachziehen“.
Der Rechnungshof verweist in seiner Analyse dagegen auf mögliche Wettbewerbsrisiken. Er dokumentiert, dass bei Direktvergaben „in 59 % der Vergaben nur ein Bieter ein Angebot legte“ und spricht damit implizit die Gefahr an, dass höhere Schwellen zu weniger Wettbewerb führen könnten. Der Hinweis des Rechnungshofes macht deutlich: Selbst, wenn Auftraggeber:innen die Erhöhung begrüßen, muss der Gesetzgeber mögliche Marktverengungen im Blick behalten.
Bekanntgabepflichten & eForms: „Erhebliche Aufwände“, „zusätzliche Belastungen“, „kein Mehrwert“
Ein zentrales Konfliktthema der Novelle war die verpflichtende Nutzung der eForms auch im Unterschwellenbereich sowie die im Begutachtungsentwurf geplante Ausweitung der Veröffentlichungspflicht ab 50.000 Euro auf alle öffentlichen Auftraggeber:innen.
Der Österreichische Gemeindebund formuliert eine der schärfsten Kritiken: Die vorgesehenen Änderungen seien „zusätzliche Belastungen für Gemeinden und Länder“ und würden in einer Zeit kommen, „in der alle Gebietskörperschaften – insbesondere die Gemeinden – mit erheblichen finanziellen Herausforderungen konfrontiert sind und intensiv nach Einsparungsmaßnahmen suchen“.
Ähnlich äußert sich der Städtebund: Einige Bestimmungen führten zu „zusätzlicher Bürokratie, höheren Kosten und einer erhöhten Komplexität“, ohne ersichtlichen Mehrwert für Auftraggeber:innen oder Bieter:innen.
Auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) richtet einen deutlichen Hinweis an den Gesetzgeber. Die neuen Bekanntgabevorgaben stellten „gold-plating“ dar und seien „auf den Oberschwellenbereich zu beschränken“, insbesondere § 66 „Bekanntgaben in Österreich“ im USB solle „ersatzlos gestrichen“ werden.
Die ÖBB-Holding warnt zusätzlich vor technischen Herausforderungen der geplanten eForms-Umstellung. Die Einführung verursache „erhebliche Aufwände“ und es sei „eine längere Übergangsfrist (zumindest bis 31.3.2027) vorzusehen“.
Damit wird klar: Während Transparenz grundsätzlich befürwortet wird, stoßen die konkreten Umsetzungsmechanismen auf breite Ablehnung.
Verfahrensarten: Sorge vor dem Verlust notwendiger Flexibilität
Mit der Novelle sollen die Nutzungsmöglichkeiten einzelner Verfahrensarten, insbesondere Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Unterschwellenbereich, eingeschränkt bzw. neu strukturiert werden. Dadurch wären bestimmte bisher gängige Verfahrenswege nur noch unter engeren Voraussetzungen zulässig. Mehrere große Auftraggeber:innen kritisieren, dass diese Änderungen den Handlungsspielraum im Unterschwellenbereich spürbar reduzieren würden.
Die ÖBB warnen, diese geplante Neuregelung des § 212 führe dazu, dass Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung „erheblich bürokratisiert“ werden. Dadurch würde „der Anwendungsbereich dieser Vergabeverfahren gänzlich ausgehöhlt“ und sämtliche USB-Vergaben oberhalb der Direktvergabeschwelle müssten wie Oberschwellenverfahren abgewickelt werden.
Auch die E-Wirtschaft sieht die Einschränkung kritisch. Für Sektorenauftraggeber:innen seien die neuen Wertgrenzen „angesichts der Marktstruktur im Energie- und Infrastrukturbereich nicht angemessen“ und die daraus folgenden Hürden führten zu „erheblichen Effizienzverlusten“.
Der Städtebund weist außerdem auf sicherheitsrelevante Aspekte hin: Für sensible Infrastruktur seien nicht-offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung „aus Geheimhaltungs- und Sicherheitsgründen unverzichtbar“, weshalb ihre Einschränkung „kritisch gesehen“ werde.
Die Kritik fällt durchgehend deutlich aus und zeigt, dass Auftraggeber einen echten Verlust an Praxisnähe befürchten.
Neue Dokumentationspflichten bei Direktvergaben: „Nachteilig und redundant“
Besonders umstritten ist die Pflicht zur Einholung von mindestens drei Angeboten ab 50.000 Euro. Zwar schätzen viele Auftraggeber:innen die höhere Direktvergabeschwelle, lehnen aber die zusätzliche Dokumentationspflicht ab.
Mehrere Unternehmensverbände sehen in der neuen Pflicht keinen Beitrag zur Entlastung, sondern eine reale Verschärfung. Die Wirtschaftskammer Österreich betont, die Regelung sei „jedenfalls ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand“ und führe „de facto zu einer Senkung des Schwellenwertes für eine formlose Direktvergabe“.
Auch die Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen (VIBÖ) stellt nahezu wortgleich klar, dass die Dokumentationspflicht „jedenfalls einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand“ bedeute und damit „eine faktische Senkung des Subschwellenwerts für die Direktvergabe auf € 50. 000,–“ verbunden sei.
Der Städtebund bezeichnet die Vorgabe als „nachteilig und redundant“ und zweifelt ihren Mehrwert an.
Der zentrale Vorwurf lautet: Die Regelung würde die intendierte Entbürokratisierung ins Gegenteil verkehren.
Nachhaltigkeit & neue Kriterien: Zustimmung – aber Wunsch nach Klarheit
Viele Auftraggeber:innen begrüßen die stärkere Betonung der Nachhaltigkeit, warnen jedoch vor unklaren Begrifflichkeiten.
Der Verkehrsverbund Steiermark hält fest, dass weder Gesetz noch Erläuterungen klar darstellen, „was unter dem Begriff der Nachhaltigkeit zu verstehen ist“ oder wie sich dieser von „Umweltgerechtheit“ abgrenzt. Für die Praxis sei daher „mit Unklarheiten zu rechnen“.
Auch der Städtebund fordert präzisere Definitionen, da die neuen Kriterien sonst „Abgrenzungsschwierigkeiten und damit Rechtsunsicherheit“ verursachen würden.
Fazit: Entlastung ja – aber nicht um den Preis neuer Belastungen
Die Stellungnahmen zeigen ein klares Bild: Die meisten Auftraggeber:innen begrüßen die Anhebung der Schwellenwerte und die Modernisierung des Vergaberechts. Gleichzeitig wächst die Sorge, dass zusätzliche Bekanntgabepflichten, enge Verfahrensgrenzen und neue Dokumentationspflichten die Verwaltung stärker belasten als bisher. Die Novelle verfolgt das Ziel der Vereinfachung, doch viele Auftraggeber:innen sehen derzeit das Gegenteil drohen.
Hinweis: Der Artikel basiert auf der umfassenden Analyse aller eingelangten Stellungnahmen zum Begutachtungsentwurf. Die Stellungnahmefrist ist mittlerweile abgeschlossen und der Entwurf wurde inzwischen in seiner überarbeiteten Form als Regierungsvorlage eingebracht.
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