Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich: Ein Leitfaden zur Optimierung von Transparenz und Diskriminierungsfreiheit
Mit einem geschätzten Auftragswert im Oberschwellenbereich des BVergG gehen EU-weite Bekanntmachungs- und Bekanntgabeverpflichtungen einher, welche die Transparenz im öffentlichen Vergabewesen fördern. Welche Schwellenwerte in Österreich die Grenze zwischen Ober- und Unterschwelle definieren und warum diese von großer Bedeutung sind, haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengefasst.
Die Schwellenwerte im öffentlichen Auftragswesen werden grundsätzlich auf Ebene der Europäischen Union festgelegt und variieren je nachdem, ob es sich um Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträge handelt. Aufträge, welche in den sogenannten Oberschwellenbereich fallen (also Aufträge, die ein bestimmtes Volumen übersteigen), sind von besonderer Bedeutung, da für sie wegen ihrer möglicherweise grenzüberschreitenden Bedeutung strengere Regeln gelten.
Wesentliche Aspekte des Oberschwellenbereichs
Die Transparenz in Vergabeverfahren dient dazu, allen potenziellen Bieter:innen aus der EU faire Wettbewerbschancen zu bieten. Dies wird vor allem durch die umfassende Dokumentation und die öffentliche Zugänglichkeit der Ausschreibungen gewährleistet. Jeder Schritt im Vergabeprozess, von der Bekanntmachung der Ausschreibung bis zur Zuschlagserteilung, muss lückenlos nachvollziehbar und überprüfbar sein.
Den Grundsätzen des Vergaberechts (näher ausgestaltet durch das BVergG) kommt im Oberschwellenbereich besondere Bedeutung zu. Einen wesentlichen Eckpfeiler bildet dabei die Diskriminierungsfreiheit. Dies bedeutet, dass kein Unternehmen aufgrund seiner Nationalität, Größe oder Unternehmensform benachteiligt werden darf. Dies schlägt sich insbesondere in den zulässigen Festlegungen zu Eignungs-, Zuschlags- und Auswahlkriterien nieder.
Verfahrensarten im Oberschwellenbereich
Um den hohen Anforderungen an Transparenz und Gleichbehandlung zu genügen, sind im Oberschwellenbereich nur ausgewählte Verfahrensarten zulässig. Diese sind im „klassischen Bereich“ vor allem:
- Offenes Verfahren
Beim offenen Verfahren wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Dies erfolgt regelmäßig durch Bekanntmachung auf den einschlägigen Vergabeplattformen. - Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung
Beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung handelt es sich um ein 2-stufiges Vergabeverfahren. Dabei werden, nachdem in einer ersten Stufe eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, ausgewählte geeignete Bewerber zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. - Verhandlungsverfahren mit oder ohne vorherige(r) Bekanntmachung
Beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung werden, nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, ausgewählte geeignete Bewerber zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Danach kann über den Auftragsinhalt verhandelt werden. Beim (intransparenteren) Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung werden nur ausgewählte Unternehmen direkt zur Abgabe von Angeboten eingeladen. Das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung ist nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen spezieller gesetzlicher Voraussetzungen zulässig. - Wettbewerblicher Dialog und Innovationspartnerschaft
Diese komplexeren Verfahrensarten ermöglichen bereits im Vergabeverfahren eine enge Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und den teilnehmenden Unternehmen, um innovative Lösungen zu entwickeln oder besonders komplexe Aufträge zu realisieren.
Schwellenwerte für Vergabeverfahren in Österreich
In Österreich, wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, ist das Überschreiten bestimmter Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberegeln im Oberschwellenbereich maßgeblich. Diese Werte bestimmen, ob ein Vergabeverfahren strengeren oder weniger strengen Regularien unterliegt. Die aktuellen Schwellenwerte sind wie folgt festgesetzt:
- Bauaufträge: 5.538.000 Euro
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge von zentralen öffentlichen Auftraggebern: 143.000 Euro
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge sonstiger öffentlicher Auftraggeber: 221.000 Euro
Hier finden Sie eine detaillierte Auflistung aller geltenden Schwellenwerte und hier einen Artikel zur Schwellenwerteverordnung ab 1. Jänner 2024.
Die Schwellenwerte werden regelmäßig überprüft und können sich entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung und Inflation ändern. Öffentlichen Auftraggeber:innen ist zu empfehlen, sich vor jedem Beschaffungsvorhaben über die aktuell gültigen Schwellenwerte zu informieren.
Berechnungsregeln sind zu beachten
In jedem Falle zu berücksichtigen sind die Regelungen zur Berechnung der im Vorfeld eines Vergabeverfahrens geschätzten Auftragswerte. Diese bilden die Grundlage für die Beurteilung, ob ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird oder nicht. Gerade bei größeren Vorhaben gelten strenge Zusammenrechnungspflichten und Umgehungsverbote (so ist beispielsweise im Baubereich regelmäßig der kumulierte Wert aller Gewerke/Lose maßgeblich und nicht der Wert des Einzelauftrags).
Umsetzung in der Praxis
Um die Einhaltung dieser gesetzlichen Anforderungen zu gewährleisten, ist es essenziell, dass alle Beteiligten im Vergabeprozess geschult sind und die rechtlichen Rahmenbedingungen genau kennen. Zudem ist eine kontinuierliche Überwachung und Anpassung der Prozesse notwendig, um auf Veränderungen im Markt oder in der Rechtslage rechtzeitig reagieren zu können.
Fazit
Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich bieten durch die Vorgaben, denen sie unterliegen, sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Während sie einerseits den fairen Wettbewerb fördern und zur Wirtschaftlichkeit und Effizienz bei der öffentlichen Auftragsvergabe beitragen, erfordern sie andererseits von den beteiligten Stellen ein hohes Maß an Fachwissen und Sorgfalt. Unternehmen, die regelmäßig an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, müssen sich fortlaufend über Neuerungen informieren und ihre Prozesse entsprechend anpassen. Die Einhaltung dieser komplexen Regulierungen sichert nicht nur die Rechtssicherheit, sondern stärkt auch das Vertrauen in die öffentliche Auftragsvergabe.