Zur Ankurbelung der Konjunktur aber auch aufgrund des raschen Bevölkerungswachstums hat die Stadt Wien kontinuierlich in Infrastruktur investiert, sagt die Wiener Stadtbaudirektorin und Vorstandsvorsitzende des ANKÖ, Dipl.-Ing.in Brigitte Jilka, MBA. Um sicherzustellen, dass sich auch kleinere Unternehmen weiterhin an Ausschreibungen beteiligen, darf es bei der Eignungsprüfung zu keinen weiteren Verschärfungen kommen, so die Stadtbaudirektorin.
ANKÖ: Dieses Jahr stand ganz im Zeichen eines neuen Vergaberechts. Die öffentliche Vergabe hat dadurch breite Aufmerksamkeit bekommen. Das Gesetz wurde aber nicht beschlossen. Welche Auswirkungen hat das?
Dipl.-Ing.in Brigitte Jilka, MBA: Ich fürchte, dass dadurch die Rechtsunsicherheit bei den Anwenderinnen und Anwendern weiter zugenommen hat. Selbst VergabespezialistInnen sind sich nicht einig, welche Regelungen des aktuellen Gesetzes gelten und welche nicht, da sie von unmittelbar geltenden Bestimmungen der europäischen Vergaberichtlinien abgelöst wurden. Es entstand aber auch der Eindruck, dass in den Diskussionen zu den Gesetzesentwürfen der Praxisbezug und die Sachlichkeit nicht immer im Fokus standen.
Das geplante Gesetz wird längst als BVergG 2018 bezeichnet und demzufolge kommendes Jahr beschlossen. Welche Erwartungen haben Sie?
Die neue Regierung wird die eine oder andere Änderung noch diskutieren. Daher ist nicht mit einem raschen Gesetzesbeschluss zu rechnen. Immerhin könnten sich so aber neue Chancen ergeben, im sachlichen Dialog praxisgerechte Verbesserungen zu erarbeiten. Das Vergaberecht wird oft als Heilmittel für aktuelle Probleme am Arbeitsmarkt dargestellt. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen zielen in diese Richtung. Kritische Hinweise aus der Praxis werden hingegen wenig beachtet. Beispielsweise werden die Eignungsanforderungen immer weiter angehoben, um die Beauftragung von nicht geeigneten Unternehmen zu verhindern. Viele AuftraggeberInnen sind aber bereits mit den aktuellen Regelungen überfordert und schaffen es nicht, sie adäquat zu handhaben. Weitere Verschärfungen werden daher in der Praxis nicht die gewünschten Effekte erzielen.
Die Konjunktur hat zuletzt deutlich zugelegt. Was bedeutet das für öffentliche Auftraggeber? Was bedeutet es für die Stadt Wien?
In Wien wurde versucht, die Konsequenzen der Wirtschaftskrise durch möglichst kontinuierliche Investitionstätigkeit zu mildern. Dieser Weg der antizyklischen Finanzpolitik zeigt noch Wirkung. Die erhöhten Investitionen in die Infrastruktur hängen aber nicht nur von der ökonomischen Lage ab. Auch das rasche Bevölkerungswachstum ist hier ausschlaggebend. So muss zum Beispiel bis zum Schulbeginn 2018 Raum für mehr als 100 neue Schulklassen im Pflichtschulbereich geschaffen werden. Gleichzeitig gilt es aber, eine Neuverschuldung zu verhindern. Deshalb wird alles unternommen, um Planung und Bau zu optimieren. Und teilweise wird auch auf alternative Realisierungsmodelle zurückgegriffen: wie Partnerschaften mit Unternehmen, sogenannte Public-Private-Partnership-Projekte.
Öffentliche Vergaben sind ein wichtiger Faktor zur gleichmäßigen Auslastung der Wirtschaft. Manche kleineren Firmen lassen sich dennoch von vermeintlichen Hürden abschrecken. Was können Auftraggeber dagegen tun?
Ganz wesentlich ist, die Leistungspakete in passenden Größen zu schnüren. So können auch kleinere Unternehmen für die Umsetzung in Betracht gezogen werden. Bei der Stadt Wien gilt daher weiterhin die Präferenz für die Vergabe in Losen. Wir achten aber ebenfalls darauf, angemessene Eignungsanforderungen und -nachweise vorzusehen. Erhebungen und Studien haben gezeigt, dass der Aufwand dafür immer wieder Unternehmen von der Teilnahme an Vergabeverfahren abhält. Trotzdem werden die Regelungen der Eignung immer weiter verschärft – ohne dass dies aus vergabepraktischen oder europarechtlichen Gründen notwendig oder geboten wäre. Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten versuchen wir also den Aufwand möglichst gering zu halten. Auch die Stärkung von ressourcenschonenden Datenbanken wie der Liste geeigneter Unternehmer wäre hilfreich. Wenn wie hier Informationen von öffentlichen Stellen unmittelbar über Schnittstellen in die Datenbank fließen, vermindert dies den Aufwand für Unternehmen und steigert gleichzeitig sowohl die Datenqualität als auch deren Aussagekraft.
Ihre Empfehlung an Unternehmen: Wie gelingt die Teilnahme an öffentlichen Aufträgen und was erwartet beispielsweise die Stadt Wien von Bietern?
Als erstes muss man sich mit den Eignungsanforderungen beschäftigen. Diese werden in jedem Vergabeverfahren gesondert festgelegt. Kann man diese nicht allein erfüllen, kann der Einstieg gemeinsam mit anderen Unternehmen – durch Arbeitsgemeinschaften oder mit Subunternehmen – gelingen. Bei der Legung eines Angebots hat das Unternehmen die Chance zu zeigen, wie gründlich es sich mit den Anforderungen auseinandergesetzt hat. Der erste Eindruck ist hier besonders wichtig. Auch die Art der Kommunikation zeigt sich meist bereits zu Beginn eines Verfahrens. Wünschenswert ist ein offener und fairer Umgang. Die Stadt will eine faire Vertragspartnerin sein und erwartet dies auch von Bieterinnen und Bietern.
Heuer wurden einige wichtige Projekte umgesetzt – wie unter anderem die U1-Verlängerung. Was sind Ihre Schwerpunkte für 2018?
Die Vorarbeiten für die U5 beginnen. Der Wohnbau hält unvermindert an und einige große Bildungsbauvorhaben, wie der Campus Nordbahnhof Nr. 2, sind schon in der Pipeline. Und die Seestadt Aspern geht in die nächste Bauphase, die Hoch- und Tiefbauleistungen umfasst.
Frau Dipl.-Ing.in Jilka, vielen Dank für das Gespräch.